Text zur Ausstellung von Bettina Ballendat

Moderne Gemälde kommen bunt daher, wenn schon Öl- oder Acrylfarben benutzt werden, dann werden die Potentiale dieser Farben ausgelotet. Dagegen wirken die Bilder Bettina Ballendats fast monochrom. Ende der neunziger Jahre mischen sich noch Dunkelrot oder graunahe Blau-, Grün- oder Violetttönen die Komposition. Die späteren Werke weisen lediglich diverse Grautöne zwischen Weiß und Schwarz auf.

Die Grisaille hat eine Geschichte, die mit den Gebrüdern van Eyck und tom Ring einsetzt. Eine Renaissance erfuhr diese Technik nach der Mitte des 19. Jahrhunderts. Friedrich August de Leuw malte nach seiner Ausbildung an der Düsseldorfer Kunstakademie in der Schirmer-Klasse der Landschafter Rheinansichten nur in Grautönen auf die Leinwand.
Nun aber, in der farbigen Bilderflut des beendeten 20. und des beginnenden 21. Jahrhunderts, fällt eine Reduktion auf die Grisaille doppelt auf, steht sie doch im Gegensatz zu farbig schrill auftretenden Medien, Konsumgütern und zu moderner Kunst. Um den Qualitäten dieser Bilder nachzuspüren, lohnt sich eine genauere Betrachtung derselben.
Dies setzt eine Betrachtung der Geschichte voraus. Im Zeitalter des Barock gab es Grisaillen als Vorstudien zu Gemälden. Eher diese als das später danach gefertigte farbige Gemälde gab man zu Zwecken der Reproduktion der Bilderfindung dem Stecher, um ihm die Umsetzung in die ebenso schwarzweiße Graphik zu erleichtern. Kupferstich und Holzdruck sind vor dem 20. Jahrhundert vorwiegend in Schwarzdruck auf weißes Papier ausgeführt worden. Schon hier wird die Verwandtschaft der Grisaille mit den graphischen Techniken deutlich. Diese Techniken können nicht wie die Malerei in Farben schwelgen und können nicht das Detail getreu, abbildhaft wiedergeben. Die Graphik tendiert deshalb zum Generalisieren, zum Abstrahieren. Das gilt für die Kupferstiche Dürers ebenso wie für die Holzschnitte Jost Ammanns oder die der Brücke-Künstler.

Die Gemälde Bettina Ballendats sind für den Betrachter lesbar. Sie verschließen sich nicht. So werden Strukturen ins Bild gesetzt, die angeregt wurden durch die Arbeiten auf Papier und seine Materialhaftigkeit bzw. die Techniken, die dieser Untergrund anbietet, Malen, Wischen, Knittern. So oder durch die Veränderung der Oberfläche des Papiers, das sich mit Farbe voll saugt, entstehen abstrakte Motive. In der Kombination mit Versatzstücken aus Körpern, Körperteilen sind Bildelemente wie Porträtköpfe klar als Gegenständlich erkennbar. Allerdings sind diese Motive gegenüber der früheren Gestaltung der Künstlerin noch stärker in der Darstellung vereinfacht, tauchen oft nur schemenhaft aus den abstrakt erscheinenden Strukturen auf oder begleiten diese. Zudem spielen sie mehr mit dem weißen Umraum der leeren Leinwand. Einen Horror vacui hat diese Malerin nicht. Sie bringt das Gewicht der leeren Fläche mit den gestalteten Flächen in ein Gleichgewicht. Sie führ die leere Fläche neben der gestalteten zu einer Aussage. Ihre Motive bringt Bettina Ballendat nicht spontan in ihre Bilder ein. Eine lange Reihe von Studien auf Papier und regelmäßig wiederkehrende Überarbeitungen der Leinwand selbst zeugen von ihrer Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Bild. Das kann der aufmerksame Betrachter im gewordenen Werk nachvollziehen. Entstehende Strukturen regen die Malerin an, sie durchdenkt das Erfinden, erlebt durch Anschauung: Ihr bildnerisches Denken bewegt sich zwischen Intellekt und Intuition.
Die oftmals bruchstück- oder versatzstückhaften Elemente der Darstellung sind Splitter von Dingaspekten und zeigen damit eine Verwandtschaft zum Kubismus einer Alexandra Exter auf. Sind diese Versatzstücke Porträts oder Teile davon, erinnert diese an Adolf von Menzels "Atelierwand". Das Gemälde provozierte die Frage, ob das Dargebotene als Studie oder fertiges Kunstwerk zu verstehen ist, eine an sich müßige Differenzierung. Da das Bild beide Auffassungen nahe legt, bietet es die Aufzählung oder gar die Zusammenfassung von Aspekten, motivisch interpretiert als Symbole des Lebens.
Die schwarzen, grauen oder weißen Strukturen in den Gemälden Bettina Ballendats sind Relikte von Gegenständlichem und vermeiden einen rein abstrakten Charakter. Dafür sorgen, wenn auch reduziert, Darstellungen von Blöcken, Steinen oder Draperien. Die ins Bild gesetzten Elemente mit menschlichen Proportionen oder oft anthropomorphen Formen evozieren den Eindruck eines auf den Menschen und seine Empfindungen selbst zielenden Bildgedankens. Dabei bleibt die Figur noch mehr als bei Giacometti unbestimmt, wird nur suchend umkreist. Dies erinnert an den "Jean Genet" des Alberto Giacometti. "Er ist ein Maler, der Menschen und Dinge wieder in die Welt, d.h. in die große Leere stellt." (Jean Paul Sartre)

Dr. Rolf Jessewitsch
Museum Baden, Solingen

(Text teilweise gekürzt)