Vom Finden im Suchen
Fotografie

In den letzten Jahren habe ich einen immer schärferen Blick für Situationen entwickelt, wo ohne jede künstlerische Absicht spannende Strukturen aus Farben und Formen, Flächen und Linien entstanden sind, oft durch menschliches Tun, aber auch durch Verwitterung und Zerfall.

Meine Fotografie nimmt diese Motive in Anspruch, aber das Abbildhafte soll zurückgedrängt werden und sich zum Bildhaften hin verschieben. Das Bild soll auf nichts verweisen, seine Ursprünge und Referenten sollen vorenthalten bleiben.

Indem ich sie von praktischen Funktionen wie Dokumentation oder der Abbildung einer äußeren Welt befreie, möchte ich eher malerische Qualitäten dieser Fundstücke sichtbar machen und verstehe viele meiner Bilder als „peintures trouvées“, als gefundene nichtgegenständliche Malerei.

Die Bilder transportieren auch keinen höheren Sinn oder eine tiefere Bedeutung, sie sollen in ihrer ästhetischen Unabhängigkeit einfach nur sein, autonom sein. „Die Bilder sind, was sie sind.“ (W. Tillmans)

Das ist alles nicht so neu, wie es erscheinen mag, vielmehr stehen meine Bilder in einer langen fotografischen Tradition, die in den 20-er Jahren mit den Arbeiten von László Moholy-Nagy und Man Ray begann, nach dem 2. Weltkrieg mit der „Subjektiven Fotografie“ durch Fotografen wie Otto Steinert und Peter Keetman fortgesetzt wurde und die gerade in aktuellen Ausstellungen nichtgegenständlicher autonomer Fotografie in Berlin und Bochum endet. Auch die Maler des Informel und des Abstrakten Expressionismus spielen eine nicht unerhebliche Rolle.

Die hier ausgestellten Fotografien sind nicht das Ergebnis großartiger Operationen mit einem Bildbearbeitungsprogramm, sie sind nicht verfremdet und mit wenigen Ausnahmen nur im Hinblick auf Ausschnitt, Kontrast und Sättigung bearbeitet.

Norbert Schwirtz, September 2016